Bericht: Vom Niger an die Neiße

Als Volunteer in Görlitz

Die weiteste Anreise hatte Bashir Oumarou. Er kam im September für ein Jahr aus der Millionenstadt Niamey, der Hauptstadt von Niger, nach Görlitz. Zusammen mit neun anderen Freiwilligen und ihren Patenfamilien vor Ort ist er am Montag der Karwoche von Generalsuperintendent Martin Herche zu einer Andacht und einem Frühstückstreffen eingeladen. Herche möchte Bashir aus Afrika und den Europäischen Freiwilligen aus Spanien, Frankreich, den Niederlanden und Rumänien, die über den CVJM in die Region kamen, als Kirche „Danke!“ sagen. Denn sie sind internationale Stützen in Schulclubs, der Ev. Stadtjugendarbeit oder in der Freien Ev. Schule.

Bashir wurde von der Ev. Stadtjugendarbeit „esta“ engagiert. Der 25-Jährige war im YMCA in Niger aktiv, und dieser Verein unterhält eine Kooperation zum CVJM in der schlesischen Oberlausitz. So führte Bashirs Weg über „Weltwärts“, das entwicklungspolitische Austauschprogramm, vom Niger an die Neiße.

An den Nachmittagen arbeitet er im „Sculti“. Das ist der Schulclub der Scultetus-Oberschule in Görlitz-Königshufen. Die 10-15-Jährigen Mädchen und Jungen kicken mit ihm Fußball oder schaffen ihn beim Tischtennis. „Ich schenke den Kindern meine Aufmerksamkeit, meine Zeit und Freude. Ich weiß mal einen guten Rat oder ich sage ihnen, was Bildung wert ist!“ In Niger sind viele Menschen Analphabeten. Die Kinder in Deutschland wirken auf ihn oft reif und intelligent, „hier sind gute Lern-Möglichkeiten, aber zu Hause in Niger sind Kinder neugieriger.“ Und: „Kinder haben bei uns die Macht. Ganz einfach, weil sie so viele sind“, lacht er und denkt an seine eigenen jüngeren Geschwister. Das Durchschnittsalter in Niger liegt bei knapp 15 Jahren. Jeder Zweite ist in diesem zur vier Fünfteln aus Wüste bestehenden Land unter 15. Laut Statistik bringt eine Frau in Niger, das zu den ärmsten Ländern der Welt zählt, im Durchschnitt 6,9 Kinder zur Welt. Damit ist die Fertilitätsrate dort die höchste weltweit. „Für die Hauptstadt Niamey gilt das nicht in dem Maße, dort sind viele Menschen eher karriereorientiert als auf dem Land“, sagt er. Die Millionenstadt Niamey wächst rasant, da sie auf Zuwanderer eine enorme Anziehungskraft ausübt.

Dass in Deutschland vieles anders als zu Hause ist, nimmt Bashir nicht nur mit den wiederkehrenden Minusgraden wahr, während in seiner Heimat das Thermometer jetzt im März auf 40 Grad plus ansteigt. Die Finger trommeln auf dem Küchentisch der WG, während er von heimischen bewegten Gottesdiensten mit einer musikalischen Melange aus Gospel, Reggae und Rhythmus schwärmt, „was der Heilige Geist dem Chor so eingibt“!

„Mein Land vermisst mich…“Auf jeden Fall geht er im August nach Niamey zurück, wo er bereits vier Semester lang Soziologie der Arbeit studiert hat, um eines Tages eine Firma zu gründen. Sein Budget hat er sich mit dem Verkauf von Joghurtgetränken und mit dem Betreiben eines Kopiergerätes auf dem Campus aufgebessert. „Mein Land vermisst mich“, sagt er. Aber zuvor will er gern weiter Europa bereisen. Dass er mit seiner Görlitzer Gemeinde über Silvester in Basel beim Europäischen Taizétreffen mit 20.000 Jugendlichen dabei sein konnte, war ein ganz besonderes Erlebnis.
Bettina Bertram, 20.03.2018

22. März 2018